KI-Cover bei Heyne

Hast du schon das neue Paoloni-Cover gesehen? Das war die Frage von Barbara Brosowski Utzinger, einer Künstlerkollegin auf Facebook, vor einigen Tagen. Was sich hinter ihrer Frage verbarg, ahnte ich in genau diesem Moment nicht. Komplett unbedarft lautete meine Antwort: „Nein, hast du einen Link für mich?“ Der Link kam dann auch und führte mich zu einem Beitrag auf Instagram. Genauer gesagt zu einem Beitrag von Christopher Paolino, dem Bestsellerautor von Eragon, in dem er sein neuestes Werk MURTAGH bewarb, erschienen beim Heyne-Verlag, deklariert als Spiegel Bestseller.

Meine erste Reaktion war ein ungläubiges Blinzeln gepaart mit dem Ausruf „Autsch“, denn mein Blick fiel geradewegs auf den riesigen Drachenkopf mit seinem geradezu verdrehten Hals bzw. den verunstalteten Schuppen. Bereits da war mir klar, das ist ein sog. KI-Cover. Eigentlich hätte mich Barbaras Frage schon darauf vorbereiten müssen, denn wir unterhalten uns sehr oft über derlei Bücher bei Verlagen und verlagsunabhängigen Autoren. Mein Blick glitt also weiter. Natürlich blieb es nicht bei diesem einen sehr auffälligen Merkmal. Im Prinzip ist der ganze Drache kritikwürdig. Das ist auch der Grund, weshalb jetzt eine detaillierte, ganzheitliche Betrachtung folgt, die einiges aufdeckt.

KI-Merkmale im Detail

Das Cover ist äußerst simpel aufgebaut. Es besteht aus einem Covermotiv mit einem Hintergrundbild und einer Überschrift. Separiert man das Motiv, lässt sich damit eine Rückwärtssuche im Internet veranstalten. Es gab zahlreiche Treffer und sie alle offenbaren auf den ersten Blick: Dieses Drachenbild wurde unverändert übernommen – sieht man einmal davon ab, dass es spiegelverkehrt zum Original auf dem Cover abgebildet wurde. Viel Arbeit wurde augenscheinlich nicht in das Cover gesteckt. Böse Zungen würden nun behaupten, es waren nur ein paar wenige Klicks im richtigen Programm. Doch zurück zum Covermotiv.

Aufgrund meiner Arbeit unterhalte ich bei verschiedenen Bildanbietern ein Konto und habe mich für das Suchergebnis bei Shutterstock entschieden. Meine erste Amtshandlung war eine Überprüfung mit Hive Motion, einem KI-Detektor für Bild und Text. Laut einer jüngst durchgeführten Studie der Universität Chicago ist das der derzeit beste Detektor, und wenn der anschlägt, kann man sicher sein, dass hier generative KI im Spiel ist. Wie man am Ergebnis sehen kann, war das ein Volltreffer mit besten Grüßen von Midjourney.

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Dank des Probieren-Buttons oberhalb des Bildes lässt sich ganz legal und einfach eine Vorschau dieses Bildes auf den heimischen PC ziehen. Die Auflösung ist mit zunehmender Vergrößerung des Bildes nicht unbedingt gut und auch die Wasserzeichen behindern, aber es lassen sich nun die offensichtlichen Fehler, die uns Midjourney gezaubert hat, besser markieren als auf dem Cover.

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Wir sehen anhand einer Gegenüberstellung mit und ohne farblicher Markierungen, dass ein Teil des vorderen Kiefers weggebrochen ist. Hier lässt sich vermuten, dass die davon wegstrebende Wolke dieses Wegbrechen darstellt. Der Hintergrund des Buches ist Fantasy und somit wäre ja eine Erklärung gefunden, aber ich zweifle stark daran und meine Zweifel werden im späteren Verlauf dieses Artikels noch zur Gewissheit. Überdies wachsen die Zähne des Drachen aus einem blank liegenden Kiefer. Wo sind Zunge, Zahnfleisch und die Ober- bzw. Unterlippe? Im Maul existiert keine Struktur. Die Auflösung gibt es nicht besonders gut wieder, aber auch auf dem Cover sieht man keine definierte Mundhöhle, die bei einer Nahaufnahme zu erwarten wäre. Es ist alles ein einheitlicher Brei aus Licht und Schatten und unterschiedlich spitzer Linienführung.

Daneben gibt es noch die flossenartigen Verbindungen, eine Art Haut zwischen den hornartigen Auswüchsen, von denen viele in der Nähe des Kiefers sehr chaotisch verlaufen und sich zum Rücken des Drachen auch aufzulösen scheinen, sodass nur diese Haut übrig bleibt. Gleichwohl fehlt diese Haut zwischen den Hörnern auf der abgewandten Kopfseite. Das Horn der uns abgewandten Seite sieht man sehr gut und auch den Raum darunter, wo sich wieder dünne hornartige Auswüchse abzeichnen. Ausgehend von der vorderen Seitenansicht müsste sich zwischen diesen Hörnern auch Haut befinden. Die fehlt jedoch. Schaut man an diesem hinteren Horn entlang, kommt man zu einer langgezogenen, stacheligen Augenwulst. Sucht man das Gegenstück auf der vorderen Seitenansicht, wird man nicht fündig.

Tja, und dann hätten wir da die Halsschuppen, die in ihrer Ausrichtung und Form keinerlei Sinn ergeben. Drachen sind erdachte Wesen, aber es gibt Vorbilder. Man nehme nur einmal Schlangen und Echsen. Wer schon einmal die Bauchschuppen einer Schlange aus der Nähe gesehen hat, erkennt sofort die Diskrepanz. Selbst wenn sich eine Schlange verdreht, verbiegen sich die Schuppen an ihrer Unterseite nicht, wie die Darstellung des Drachen es hier zeigt. Schuppen sind relativ starr und knicken nicht einfach ein oder weg. Ich muss nur einen Blick in unser heimisches Terrarium werfen, um mich dessen zu vergewissern.

Zu guter Letzt möchte ich noch die Art der Schraffur ansprechen, die die Schattierung erzeugt. Es gibt verschiedene Arten, mittels Bleistift oder sogar Fineliner Schattierungen zu setzen. Ich selbst habe vor ca. 30 Jahren im Kunstunterricht der Schule zum ersten Mal damit Bekanntschaft geschlossen. Spätestens im Kunststudium lernt man diese verschiedenen Techniken, und die Art, wie hier die Schraffur erstellt wurde, stellt keine dieser Techniken dar. Wer sich über diese Kunst des Zeichnens etwas genauer belesen will, dem sei für den Einstieg die Seite Malen-Lernen von Matthew Matthysen ans Herz gelegt. Die Bildbeschreibung „handgezeichnet“ hat dieses Bild jedenfalls nicht verdient.

Statement des Verlages

Unter dem eingangs erwähnten vielbesuchten Instagrambeitrag befinden sich Kommentare, die offen ansprechen, es müsse sich um ein KI-Cover handeln. Nun gehört der Heyne Verlag zur Random House Group und einer dieser Accounts hat auf diese Kommentare reagiert.

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Deutsche Übersetzung:

Wir entschuldigen uns für das Missverständnis: Es ist richtig, dass cbj alle Eragon-Bücher veröffentlicht hat, aber Heyne wird tatsächlich im Oktober 2024 eine Deluxe-Ausgabe von „Murtagh“ veröffentlichen! Das Buch wird in Kürze auf allen Plattformen vorbestellbar sein.

Wir möchten klarstellen, dass das Cover nicht KI-generiert ist. Es freut uns jedoch zu hören, dass Ihnen der Bezug gefällt, und wir sind auch von den besprühten Kanten sehr begeistert!

penguinbuecher

Auf die Stellungnahme, dass es sich nicht um ein KI-Cover handelt, folgten zahlreiche gegenteilige Kommentare. Unter anderem wurden die hier dargelegten Fehlerquellen benannt und nach dem verantwortlichen Künstler bzw. Coverdesigner gefragt. Es gab zu alledem natürlich keine weitere Äußerung.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie man auf ein solch fehlerhaftes Bild hereinfallen kann. Nun, dieser Frage können wir gerne einmal nachgehen.

Recherche zur Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten auf Bildplattformen

Es ist nicht das erste Mal, dass ich lese, es könne sich nicht um ein KI-Cover handeln, weil Bilder eingekauft werden, die nachweislich nicht als KI-generiert gekennzeichnet sind. Bestenfalls ist das eine naive Einstellung, schlimmstenfalls ist es den Verantwortlichen (z. B. Coverdesigner) schlichtweg egal. In beiden Fällen wälzen sie die Verantwortung auf die Bildplattformen ab. Aber die prüfen nicht unbedingt. Jedenfalls habe ich die Erfahrung gemacht, dass die internen KI-Filter ihren Namen nicht verdienen.

Um allen, die noch nie auf einer Bildplattform nach Bildmaterial gesucht haben, das Verständnis zu erleichtern, beginnen wir ganz vorne. Nachstehend seht ihr eine Abbildung mit einem Suchergebnis auf Shutterstock. Markiert sind das Suchfeld, der Status des KI-Filters und das Ziel unserer Suche.

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Im Suchfeld gebt ihr Schlagworte ein. Im Kästchen davor könnt ihr eine Auswahl an Bildertypen treffen, um die Auswahl zu begrenzen. Die Filteroptionen erscheinen erst, wenn man bereits einen Suchbegriff mit Enter bestätigt hat. Getroffene Filtereinstellungen kann man sich links im Bild anzeigen lassen. Bei dieser Suche ist der KI-Filter bereits aktiv, aber unser Covermotiv wird in der Ausgabe schon auf der ersten Seite gelistet.

Überprüfen wir doch einmal, was passiert, wenn wir den Filter umstellen und nur KI-generierte Bilder zulassen.

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Wie zu sehen ist, ist das Suchergebnis sofort ein anderes. Jetzt überprüfen wir noch die Kennzeichnung einzelner Bilder. Hierzu wähle ich mir das dritte Bild aus der 1. Reihe und stelle es dem Coverbild gegenüber. Das Ergebnis sieht wie folgt aus.

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Diese Gegenüberstellung zeigt, dass eine Kennzeichnung mehr als deutlich ins Auge sticht, siehe dazu rote Markierung. Gibt ein Anbieter/Künstler nichts dergleichen an, finden sich an dieser Stelle Informationen zu Bildbeschreibung, Bildtyp, Auflösung, Anbieter mit Link zu dessen Portfolio und Vorschläge zu ähnlichen Bildern.

Legt man die bisherige Beweisführung generativer Merkmale zugrunde, bleibt nur der Schluss übrig, dass der Anbieter hier absichtlich die Herkunft des Bildes verschwiegen hat. Der Grund ist denkbar einfach. Wirft man einen Blick in die FAQ bei Shutterstock wird schnell klar, dass auf der Bildplattform KI-generierte Bilder von Fremdanbietern nicht zugelassen sind. Dieses Bildmaterial darf dort gar nicht angeboten werden. Ähnliche Vorgaben machen die verschiedensten Bildplattformen, so z. B. auch AdobeStock. Leider setzen sich viele Anbieter über diese Regeln hinweg und begehen damit Vertragsbruch. Fliegen sie auf, werden entweder die Bilder von der Plattform genommen oder gleich der Anbieter gesperrt. Letztes Jahr ist mir so ein Fall auch untergekommen. Nach meiner Meldung war das Bild weg vom Fenster, der Anbieter leider nicht.

Um es auf die Spitze zu treiben, kann man sich nun noch das Portfolio des Anbieters anschauen. Es ist unnötig zu erwähnen, dass ich das getan habe. Nach einer umfassenden Sichtung komme ich zu dem Schluss, dass das dort auf neun Seiten aufgeführte Bildmaterial allesamt KI-generiert ist und keines der Bilder ist als solches ausgezeichnet. Mit einer chronologischen Auflistung des Bildmaterials erhalte ich außerdem die Information, dass hier kein Bildmaterial von vor dem Sommer 2022 angeboten wird. Das ist in etwa der Zeitpunkt, als die ersten Bildgeneratoren der Allgemeinheit zur Nutzung bereitgestellt wurden.

Betrachtet man sich auch noch die Vorschläge ähnlicher Bilder unter einem angeklickten Suchergebnis und die sehen allesamt nach ähnlicher Machart aus, ist das ebenfalls ein sicherer Hinweis darauf, dass hier generative KI zum Einsatz kam. Und genau das ist auch bei diesem Bildanbieter leider der Fall.

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Ab diesem Zeitpunkt bin ich aufgrund ähnlicher Bilder des gleichen Anbieters auch überzeugt davon, den weggebrochenen Kiefer, den ich bereits bei den KI-Merkmalen weiter oben erwähnt habe, als eindeutigen Fehler anzusehen.

Fazit

Wir haben es hier entgegen der Stellungnahme des Verlages mit einem sog. KI-Cover bei der geplanten Sonderausgabe von MURTAGH zu tun, die im Oktober 2024 erscheinen soll. Es besteht nur aus einem Bildelement generativer Herkunft, positioniert auf farblichen Pergament als Hintergrund und einem übergestellten Schriftzug. Damit ist – laut den Informationen aus dem Podcast des Medienanwaltes Thomas Schwenke – erst einmal nicht mit einer ausreichend künstlerischen Schöpfungshöhe zu rechnen, weshalb das Cover als gemeinfrei einzustufen wäre.

Ob solch ein fehlerbehaftetes Cover einem Künstler wie Christopher Paolini würdig ist, bezweifle ich stark. Ich an seiner Stelle würde mich veräppelt und nicht wertgeschätzt fühlen. Ebenso lässt mich die hier durchgeführte Bildbetrachtung und anschließende Recherche zur KI-Kennzeichnung sowie zum Hintergrund des Bildanbieters an der Fachkompetenz der Verantwortlichen im Verlag zweifeln. Wäre hier richtig und kompetent gearbeitet worden – sofern Wert auf Bildmaterial aus Menschenhand gelegt wird – hätte es nie zu der Auswahl dieses Covermotives kommen dürfen.

Eure Rike.