Aktiver Schutz gegen KI-Art-Generatoren

Bislang haben sich Künstler sich auf unterschiedlichste Weise gegen die Verarbeitung ihrer Werke in KI-System gewehrt. Sie gingen und gehen noch immer rechtlich dagegen vor, nehmen ihre Werke von Plattformen, die ihre Bilder für Training einer KI freigegeben haben, laden ihre Werke nur noch teilweise oder in sehr schlechter Qualität hoch – was geschäftsschädigend ist – oder sperren auf technischem Wege KI-Crawler von ihren Websites aus. Letzteres ist übrigens ein sehr aufwendiger administrativer Vorgang, der dauerhaft händisch nachgebessert werden muss. Nun gibt es aber seit April ein Tool namens Glaze, entwickelt von einem Forscherteam in Chicago, USA. Es verspricht aktiven Schutz gegen KI-Art-Generatoren. Und genau das Tool stelle ich euch heute vor.

Wer sind die Entwickler und was ist ihre Intention?

Die Frage lässt sich kurz und knapp in einem Satz beantworten. Es handelt sich um eine akademische Forschungsgruppe von Doktoranden und CS-Professoren, die daran interessiert ist, Internetnutzer vor der invasiven Nutzung von maschinellem Lernen zu schützen. Das Team distanziert sich vom Profitstreben und politischen Zielen. Sie sind uneigennützig im Sinne der Künstler tätig.

Das Team besteht aus folgenden Personen der chicagoer Fakultät:

  • Shawn Shan
  • Jenna Cryan
  • Emil Wenger
  • Prof. Heather Zheng
  • Prof. Ben Zhao (Fakultätsleitung)
  • Prof. Rana Hanocka (Mitarbeiterin)
  • Karla Ortiz (Künstlerin & Mitarbeiterin)
  • Lyndsey Gallant (Künstlerin & Mitarbeiterin)
  • Nathan Fowkes (Künstler & Mitarbeiter)

Wie schützt Glaze das Bild vor einer KI-Analyse?

Nachdem das Tool auf dem heimischen Rechner installiert ist, kann das Bild eingelesen werden. Es findet kein Upload in eine externe Quelle statt. Alle Bilddaten verbleiben, wo sie herkommen, alle Prozesse verlaufen stationär. Nach dem Einlesen wird der Stil des Bildes analysiert. Hierzu werden ähnliche Algorithmen eingesetzt, wie es im KI-Training für die Bildgeneratoren Dall-E, Midjourney und Co. passiert. Anschließend wird ein Störfilter auf das Bild gelegt, der sich grundsätzlich vom Stil des Bildes unterscheidet. So wird das spätere Auslesen durch eine KI stark behindert. Der Stil des Künstlers kann nicht mehr oder nur noch verzerrt erkannt werden, um ihn später zu imitieren. Zum Einsatz kommen hierfür gemeinfreie Stile, z. B. von Van Gogh oder Michelangelo.

Der Schutz gegen KI-Art-Generatoren besteht bei Glaze also auf der Anwendung der gleichen Technik, die aber im entscheidenden Moment dazwischenfunkt und ein Störsignal zum Verwirren schickt.

Welche Auswirkungen hat der Störfilter von Glaze?

Optisch gibt es, wenn überhaupt, nur minimal sichtbare Auswirkungen für das menschliche Auge. Der Störfilter ist natürlich grafischer Natur ist, sonst könnte er nicht wirken. Die sichtbaren Auswirkungen sind zum einen abhängig von der Beschaffenheit des Bildes – bei sehr wenigen und scharf abgegrenzten Farben wie z. B. bei Animezeichnungen ist die optische Störung sichtbarer als bei komplexen Bildkompositionen – und zum anderen, wie stark der Störfilter wirkt. Es ist nämlich möglich, das Wirkungslevel des Störfilters vorab festzulegen. Die höchste Stufe ist zugleich auch die sichtbarste, aber bietet auch den zuverlässigsten Schutz.

Auf die auslesende KI hat dieser Störfilter eine ganze Reihe an Auswirkungen, sofortige wie auch nachhaltige. Die sofortige Auswirkung besteht beim Auslesen der Bilddaten eines mit Glaze geschützten Bildes. Rein kommt ein anderes Bild als das, was nach dem Auslesen im Gedächtnis der KI hängenbleibt. Grafische Darstellungen können hier eingesehen werden. Der KI wird also eine andere Wahrnehmung aufgezwungen. Statt ein Bild mit dem Stil von Künstler XY, erhält sie also ein Bild im Stile von z. B. Van Gogh, weil die Störfilter auf gemeinfreien Stilen basieren. Das hat einen nachhaltigen Effekt. Die KI lernt, den Stil von Van Gogh zu erweitern und verfremdet ihn sozusagen. Gibt nun ein AI-Prompter einen Befehl ein und will ein Bild im Stile des Künstlers XY haben, wird auf diesen verfremdeten Van Gogh Stil zurückgegriffen.

Je mehr Künstler sich dieses Störfilters bedienen, umso stärker wirkt sich der Effekt aus. Dabei spielt es laut Entwickler auch keine Rolle, welcher KI-Art-Generator betroffen ist, sie nutzen alle mehr oder weniger die gleichen Algorithmen, also die gleiche Sprache. Varianzen sind vorhanden und können die Störfilter von Glaze abschwächen, aber selbst dieser abgeschwächte Schutz wird eine sofortige wie auch nachhaltige Auswirkung erzeugen.

Katz und Maus Spiel zwischen Glaze und Bildgeneratoren

Es wird zwischen den beiden Entwicklerteams ein Wettrüsten erwartet werden dürfen, so ähnlich wie bei den Antivirensystemen gegen die Computerviren. Darauf ist das Forschungsteam aus Chicago vorbereitet und wird alles tun, um den Prozess zum Auslesen der Bilddaten zahlreicher Künstler durch KI-Art-Generatoren so teuer wie möglich zu machen. Eine Weiterentwicklung ist immer mit Kosten verbunden und je aufwändiger die Weiterentwicklung ist, umso kostspieliger wird es. Ab einem gewissen Punkt werden sich die Unternehmen der KI-Art-Generatoren die Frage stellen müssen, ob sie die Weiterentwicklung vorantreiben wollen oder es sein lassen oder die Künstler endlich in ihmre Bestreben zu 100% respektvoll behandeln aber die Kosten an die Endkunden weitergeben. Letzteres ist übrigens schon lange ein gern genutztes Finanzmittel.

Kommerziell agierende AI-Prompter dürften im Fall der Kostenweitergabe genauso wie Privatkunden stärker zur Kasse gebeten werden. Das passiert ja jetzt schon stellenweise. Waren die ersten KI-Art-Generatoren noch zur allgemeinen Nutzung kostenfrei, etablieren sich allmählich immer mehr Bezahlungsmodelle. Der Trend dürfte sich also fortsetzen und das neueste Modell Chat GPT 4 ist der jüngste Beweis dafür.

Und noch etwas ist unschön an einem sich weiter verteuernden Prozess. Er hat tatsächlich Auswirkungen auf das Klima. Mag man diese Betrachtung in erster Instanz nicht unbedingt erwarten, aber es ist so. Leistungsstärkere KI bedeutet auch immer, noch mehr Energie und Rechenleistung zu nutzen. Energie muss gewonnen werden und wie wir aus den jüngsten politischen und Klima-Debatten wissen, ist die Energiegewinnung eng mit dem Klimawandel verknüpft. Die heutigen Unternehmen werden also auch vor dem Dilemma stehen, sich und ihre fortwährende Entwicklung von KI-Art-Generatoren vor jetzigen und zukünftigen Generationen zu rechtfertigen. Verwunderlich hieran ist bloß, dass Teile ausgerechnet dieser Generationen diese Technik bereits jetzt mit größtem Enthusiasmus und ohne Rücksicht auf allerlei Verluste nutzen.

Nachteile von Glaze

Glaze ist ein recht junges Tool. Es ist erst seit Mitte April 2023 für Windows und Mac verfügbar. Aufgrund des zu erwartenden Wettrüstens zwischen den Entwicklerteams von Glaze und der KI-Art-Generatoren ist eine stetige Weiterentwicklung nahezu Pflicht und es wird aufgrund dieser Tatsache immer wieder Lücken im Schutz geben. Außerdem wird der Schutz nie 100%ig ausfallen. Das wiegt allerdings die nachhaltigen Auswirkungen auf das Lernmuster der KI-Art-Generatoren auf.

Ein weiterer Nachteil von Glaze ist die zuweilen sehr langsam verlaufende Schutzfunktion. Das Tool ist, wie ich aus unterschiedlichen Quellen bislang herauslesen konnte, ressourcenfressend wie auch zeitraubend. Beides wird sich in zukünftigen Versionen vielleicht noch geben. Der Grund ist der, dass Glaze sich komplett auf dem heimischen Rechner abspielt. Die Prozesse benötigen jedoch ein gewisses Maß an Ressourcen, um laufen zu können. Nicht wenige PCs, besonders die älteren Modelle, könnten also unter dieser Last zu kämpfen haben. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf. Ein weiterer Faktor für lange Wartezeiten, bis der Störfilter auf ein Bild aufgebracht ist, liegt in seiner Individualität begründet. Er wird auf das jeweils zu schützende Bild maßgeschneidert angewendet und das kostet Zeit.

Aber ich denke, dass diese Nachteile ein guter Kompromiss sind, anstatt komplett schutzlos seine Werke öffentlich zu machen. Denn von der Veröffentlichung leben Künstler schließlich.

Fazit

Das oberste Ziel der Entwickler von Glaze ist einerseits, die Hersteller dazu zu bringen, Bildmaterial, das nicht niet- und nagelfest ist, einfach einzusacken und für ihre Bedürfnisse auszuschlachten, und andererseits, genug Zeit zu verschaffen, die Gesetzgebung zum Schutz der Künstler und ihrer Werke anzupassen. Aus dem Grund empfehle ich Glaze für Künstler im Bildbereich. Je mehr Künstler Störfilter benutzen, umso größer wird der Effekt und umso mehr wird ihnen vielleicht zugehört. Es ist eine weitere Möglichkeit, sich gegen Übergriffe zu wehren und sich zu verteidigen.

Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass nur ein Bundle aus verschiedenen Aktionen zum Schutz von Künstler den besten Erfolg verspricht. Aus genau diesem Grund muss die Rechtsprechung unbedingt nachziehen und auch das Bewusstsein der Öffentlichkeit muss für die Vorgänge und Konsequenzen geschärft werden. Es herrscht noch immer ein großflächiges Unrechtbewusstsein in der Thematik KI-Art-Generatoren. Das muss sich ändern.

Eure Rike.

(Informationen über die Funktion und Wirkungsweise von Glaze sowie deren Nachteile stammen mitunter aus einem TechCrunch-Artikel, von Natasha Lomas, und einem Youtube-Video von JC Sculpture Studio.)

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