Ersetzen Testleser den Lektor?

Diese Frage treibt so manchen Autor um, besonders wenn ein Auge laufend auf den zu erwartenden Kosten für einen professionellen Lektor ruht. Denn gute Profis kosten, das ist nun einmal so.

Erwartungshaltung an Testleser

Die Erwartungen, die Autoren nicht selten an Testleser stellen, sind ähnliche wie an einen Profi selbst. Sie sollen treffsicher Fehler aufspüren, sprachgewandt sein und Ahnung von der Romanstruktur haben. Das umreißt die drei großen Eckpfeiler sehr gut. All diese Fertigkeiten in nur einem Testleser zu suchen, wäre utopisch, außer die Person hat eine entsprechend fachliche Ausbildung und kein Interesse damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Denn Testleser werden mit einer Rohfassung konfrontiert, oft genug mit einer, der sich nicht jeder Lektor oder Korrektor annehmen würde, ehe nicht der Autor selbst die eine oder andere Überarbeitung vorgenommen hat. Das hat seine Gründe. Einen kleinen Abstecher in dieses Thema bietet mein Blogbeitrag „Wann ist es Zeit für ein Lektorat?“.

Woher kommen Testleser?

Da das Testlesen nicht unbedingt etwas mit Spaß zu tun hat, sondern in Arbeit ausarten kann, wenn man es ernsthaft betreibt und nicht nur ein Buch weit vor einer möglichen Veröffentlichung abgreifen will – davon gibt es auch genug Leute – wird sich ein Autor in seiner Familie, Freunden/Bekannten und bei seinen Fans, falls schon vorhanden, umhören. Manchmal sind Testleser auch unter wildfremden Personen über Gruppen der sozialen Medien oder Autorenforen zu finden.

Was leisten Testleser wirklich?

Die Leistung von Testlesern ist äußerst unterschiedlich. Es gibt sehr fähige und weniger fähige Testleser. Wenn keine fachliche Ausbildung zu deren Fähigkeiten zählt, verfügen sie über ihr Schul- und Allgemeinwissen und sind in den Genres, in denen sie tätig sind, belesen und kennen sich darin zuweilen ziemlich gut aus. Dabei sollten Autoren beachten, dass Testleser Schwerpunkte in ihren Fähigkeiten haben und es daher ratsam ist, sich mehrere zuzulegen, deren Fähigkeiten sich ergänzen.

Generell können Testleser Logikfehler aufdecken, einmalig auftretende genauso wie jene, die sich fortführen. Zudem können sie die Wirkung eines Textes gut einschätzen, besonders dann, wenn sie der eigentlichen Zielgruppe entspringen. Dieses Wissen ist für den Autor überaus kostbar.

Allerdings dürften Testleser nie alle notwendigen Bereiche abdecken und damit den Profi entbehrlich machen.

Problematische Bereiche dürften sein:

  • Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik – es gibt so viele Regeln und Zweifelsfälle und regionale Unterschiede, dass sogar Profis mit ihrem geschulten Auge immer mal wieder nachschlagen müssen.
  • Einhaltung von Erzählperspektiven – Grobe Abweichungen fallen meist auch Testlesern auf, minimale Abweichungen, die unterschwellig das Leseempfinden tangieren, eher selten.
  • Spannungsbogen – es gibt mehrere verschiedene Romanstrukturen, die den Spannungsbogen individuell beeinflussen. Ein Profi ist hierfür auf jeden Fall die bessere Wahl.
  • Stilmittel – Profis verfügen meist über mehr Erfahrung und Feingefühl hinsichtlich der passenden Stilmittel der verschiedensten Genres. Besonders bei den immer häufiger auftauchende Genremixes ist das wertvoll.
  • Befangenheit – Während Testleser, die einem auch privat nahe stehen (z. B. Familienmitglieder oder Freunde), oft dazu neigen, einem nicht immer alles an Kritik zu sagen, ist das bei professionellen Lektoren und Korrektoren anders. Sie werden schließlich für ihre schonungslose Ehrlichkeit bezahlt. Schonungslos ist aber nicht gleichbedeutend mit fehlendem Fingerspitzengefühl.

Fazit

Gut ausgewählt können Testleser eine hervorragende Möglichkeit sein, das eigene Werk vorab so zu schleifen, dass die Kosten bei einem Profi möglichst gering ausfallen. Aber sie werden nie einen Profi komplett ersetzen können. Autoren machen hier gerne Abstriche. Inwiefern das sinnvoll ist, muss jeder selber wissen. Was für einen reinen Hobby-Autor, der nur zum Spaß schreibt und veröffentlicht, nachvollziehbar und legitim wirkt, ist für den (semi-)professionellen Autor weniger ratsam. Das Risiko, sich die Leser durch zu viele Fehler und Unstimmigkeiten zu vergrätzen, ist deutlich größer und kann im Zweifel schlechte Rezessionen und Absatzminderungen nach sich ziehen. Meine Empfehlung geht dahin, eine Kombination aus Testleser und professionellem Lektor/Korrektor zu nutzen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

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