AI-Bilder auf der Buchmesse

Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde, egal ob zum Guten oder zum Schlechten. Da wundert es nicht, wenn plötzlich AI-Bilder auf der Leibziger Buchmesse auftauchen. Also stelle ich jetzt die Preisfrage schlechthin: Wer hat darauf geachtet und ist vielleicht sogar fündig geworden?

Es ist kein Geheimnis mehr, dass Coverdesigner sich der künstlichen Intelligenz immer häufiger für ihre Arbeit bedienen. Das geht immerhin schnell und spart Zeit und Geld. Es kommt aber auch immer häufiger vor, dass Autoren den Coverdesigner gleich ganz streichen und mittels AI-Kunst ersetzen. Egal in welcher Konstellation diese AI-Bilder präsentiert werden, eines haben sie oft gemein: Sie werden fast immer nicht als solche ausgezeichnet.

Ebenfalls gemein ist ihnen, dass sie sich dramatischer Farben und Kontraste bedienen. Sie nutzen Stereotype, die sich bewehrt haben: wehendes Haar, mystischer Hintergrund, fauchende Drachen – alles, was richtig reinknallt und einem beim ersten Blick den Atem nehmen kann, egal ob pompös oder so niedlich, dass man davon Karies auf den Zähnen bekommt. Darin sind AI-Bilder ganz weit vorne mit dabei. Diese immer wieder zielsicher ausgespielten Stärken der AI-Bilder sind der Grund, dass die meisten Betrachter die Natur der Bilder nicht aus Anhieb erkennen oder drüber hinwegsehen. Sie sind geradezu geflasht. Daher gehe ich auch jede Wette ein, dass kaum ein Besucher der Leibziger Buchmesse das gleich vorgestellte Bild als AI entlarvt hat.

Für den aufmerksamen Betrachter, der sich hingegen nicht beirren lässt, ist AI aber durchaus zu erkennen. Wer kein Auge dafür hat, dem steht ein treffsicheres Tool zur Seite, das ich in diesem Artikel noch vorstellen werden. Außerdem präsentiere ich zum besseren Verständnis eine Lineart einer befreundeten schweizerischen Kunstlehrerin, die mit gestalterischer Kunst ihren Lebensunterhalt verdient. Auf meine Bitte hin hat sie sich des von mir herausgepickten Beispiels von der Leipziger Buchmesse angenommen.

AI im Fiabesco-Verlag

Zu finden war der Fiabesco-Verlag bei den Ständen der Phantastik-Literatur. Ausgestellt waren lediglich Bücher der Autorin Gina Chiabudini. Eine kurze Internetrecherche ergab, dass der Verlag bislang ausschließlich Bücher dieser einen Autorin verlegt. Zumindest ist im verlagseigenen Shop kein anderer Autor gelistet. Das Impressum unterstreicht den Eindruck einer One-Man-Show. Aber das ist reine Vermutung. Fakt ist jedoch, dass der Verlag sich auf jeden Fall für die neueste Veröffentlichung von Gina Chiabudini – ein Fantasyroman mit dem Titel „Erynion – Die Legende von Elysion“ – eines Bild-Generators bedient hat. Das Erzeugnis wurde als Cover vermutlich ohne größere Nachberarbeitung verwendet und diente auf der Messe als großes Aushängeschild, weshalb es jedem Standbesucher sofort ins Auge gesprungen sein muss. Es bedient übrigens die eingangs erwähnten Stereotypen mit dem sog. BÄM-Effekt.

Im Internet kursieren einige Bilder dieses Plakates mitsamt Stand, und auf Facebook konnte ich zumindest unter Freunden der Phantastik nur lobende Worte finden. Kein einziger Fan hat die offensichtlichen Mängel im Bild gesehen oder wollte sie sehen. Woran das liegen kann, habe ich ja schon erläutert. Dem aufmerksamen Betrachter, der auch gewillt ist, genau hinzusehen, fallen jedoch sofort mehrere Glitches auf, sog. Bildfehler. Um diese besser zu erkennen, habe ich mir die 3D-Buchdarstellung von der Website des Verlages gezogen und die Glitches rot markiert.

Hier stimmen am bilddominierenden Element des Drachen weder die Körperproportionen an sich noch sind die fehlerhaften Darstellungen an den Klauen und den Flügeln zu übersehen. Eine Klaue sieht sogar sehr verkümmert aus und die Flügel wirken gleich so gebrechlich, dass sie unmöglich ein so gewaltiges Monstrum tragen können würden. Ein versierter Zeichner hätte diese Darstellung eines Drachen erstens nie angefertigt und zweitens nie für eine Veröffentlichung freigegeben. Da drängt sich dann schon die Frage nach der verlagsinternen Qualitätssicherung auf. Gab es überhaupt eine? Wohl kaum.

Lineart von Barbara Brosowski Utzinger

Wenn Glitches so offenkundig vorliegen, ist eine aufwendige Nachbearbeitung durch einen versierten Coverdesigner oder Zeichner nahezu ausgeschlossen. Vermutlich kamen hier höchstens ein paar Filter zum Einsatz, ehe im letzten Schritt die Schrift auf das Cover gesetzt wurde. Laut Anwalt Mathias Schwenke und seines Podcasts unterliegt ein AI-Bild mit solch geringer bildlicher Aufbereitung (wie von mir vermutet) auch keinem Urheberrecht in Deutschland. Es ist also gemeinfrei und kann von allen frei genutzt werden.

Um meine oben aufgeführten Beobachtungen zu verifizieren, habe ich die professionell agierende Kunstlehrerin Barbara Brosowski Utzinger gebeten mir ein Lineart dieses Bildes anzufertigen. Sie verfügt noch einmal über einen ganz anderen Blick, weil sie nicht nur mit gestalterischer Kunst täglich zu tun hat, sondern Drachen hier hauseigenes Ressort sind. Sie entwirft nicht nur am Rechner 3D Skulpturen, sondern fertigt sie auch in Lebensgröße selbst an. Ihre fachliche Meinung war mir in dieser Sache Gold wert.

Bevor wir nun zur Lineart kommen, möchte ich noch kurz den Background zur Lineart erörtern. Früher war es in Kunstforen üblich, sog. Redlines von Kunstwerken anzufertigen, um Fehler in der Bilddarstellung sichtbar zu machen. Auf dieser Basis konnten sich die Künstler verbessern und lernen. Das Lineart heute dient der Demonstration, was der verwendete Bildgenerator alles (noch) nicht schafft.

Das Lineart für den Drachen in unserem Beispiel sieht übrigens so aus:

Das fehlerbehaftete Original ist in grün dargestellt, während die violette Zeichnung die richtigen Proportionen wiedergibt. Man sieht also sehr schön, wie schwer sich der verwendete Bildgenerator bei der Erzeugung dieses Bildes getan hat. Es ist alles andere als professionell und gut umgesetzt.

Tool zur Erkennung von KI-Erzeugnissen

Nicht nur das aufmerksame menschliche Auge lässt sich nicht unbedingt betrügen. Auch der AI-Detektor aus dem Hause HIVE Moderation entlarvt das Cover als zu 99,8% AI-generiert. Die Bedienung ist denkbar einfach. Man kopiert den zu prüfenden Text in das Textfeld oder lädt die zu überprüfende Bilddatei hoch und startet den Prüfprozess bei HIVE Moderation.

Um die Zuverlässigkeit des AI-Detektors zu überprüfen, habe ich drei Versionen des Coverbildes testen lassen. Zum einen das Bild mit dem Plakat und dem Stand auf der Messe, dann nur den Ausschnitt mit dem Plakat und dann das 3D Cover von der Verlagsseite. Herauskamen diese drei wundervollen Ergebnisse, anhand derer man sehr gut sehen kann, dass das von einem Menschen gemachte Foto nicht als AI-Bild eingestuft wird, obwohl es unter anderem ein AI-Erzeugnis beherbergt. Die anderen Bilder wurden als überaus treffsicher als AI-Erzeugnis identifiziert. Bei der Handhabe des AI-Detektors ist also auf das Ausgangsmaterial zu achten, wenn man eine fundierte Aussage über die Herkunft haben möchte.

Fazit

Es mag rein rechtlich erlaubt sein, AI-Bilder zu erstellen und privat zu benutzen. Aus kommerzieller Sicht ist das allerdings eine ziemliche Gratwanderung. Da gäbe es die damit zu veräußernde Qualität, die in dem hier vorliegenden Fall ja alles andere als überzeugend ist. Denn offensichtlich verstand die verantwortliche Person nichts von Grafikdesign, ansonsten lässt sich dieses Ergebnis nicht erklären. Nebenbei existieren allerlei rechtliche Fallstricke. Die Ausführungen würden zu weit führen, daher verweise ich an dieser Stelle zu den beiden hervorragenden Podcasts von Anwalt Thomas Schwenke. Sie behandeln die Themenschwerpunkte Urheberrecht und Deepfakes und Datenschutz.

Letztlich ist es aber auch eine moralisch verwerfliche Komponente. Denn das Outsourcing ist schon seit Jahren gang und gäbe bei Unternehmen aller Art. Es bedeutet nichts anderes, als Arbeitskräfte nicht fest, sondern zeitweise mit Arbeitsverträgen an sich zu binden. Man könnte es auch als Mitarbeiter-Leasing bezeichnen. Nun können solche Stellen nach und nach durch den Einsatz der KI gleich ganz gestrichen werden, denn wie man an der fehlerhaften Darstellung im Cover und Plakat sieht, gab es keine grafische Nachbearbeitung durch einen Zeichner oder Coverdesigner. Der Arbeitsplatz wurde zugunsten der KI gestrichen.

Bei so einem Vorgehen und der offenen und noch nicht einmal deklarierten Nutzung einer KI stellt sich bei manchem vielleicht auch unweigerlich die Frage: Wenn das Cover schon AI ist, stammt der Inhalt dann auch von einer KI? Und wie viele Verlage werden noch auf den AI-Zug aufspringen und es verheimlichen?

Bereits jetzt gibt es die ersten KI-erzeugten Bücher (in Bild und Schrift) auf dem Buchmarkt. Eine Kennzeichnungspflicht wäre daher das Mindeste an Verantwortung den Lesern gegenüber. Denn wer KI-erzeugte Literatur und Kunst erwirbt, unterstützt damit gleichzeitig auch den Abbau von Arbeitsplätzen und trägt so seinen Teil zur Vernichtung von Existenzen bei. Nebenbei werden die Preise bei anderen Coverdesignern, Zeichnern und Co., die nicht auf Text- und Bildgeneratoren umsatteln, teurer, weil die Auftragslage schwieriger wird, bis sie am Ende ganz zusammenbricht. Ein Teufelskreis entsteht.

Daher wäre mein Aufruf: Kennzeichnet von euch auf freiwilliger Basis, wenn ihr schon KIs nutzt. Denn dann kann jeder frei entscheiden, was oder wen er unterstützen mag. Das wäre Fair Play in einem ansonsten unfairen Spiel. Und hütet euch davor, KI-Erzeugnisse als alleinig von Menschenhand gestaltet anzupreisen oder herumzudrucksen bzw. mit schönen Worten zu umschreiben, um die Realität nicht benennen zu müssen. Das fiele dann nämlich unter den Punkt des unlauteren Wettbewerbs und der ist in Deutschland strafbar.

Eure Rike.

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